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Besonderheiten der Holzbauplanung

Die traditionelle, in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vorgegebene, Schritt-für-Schritt Vorgehensweise der Bauplanung wird heutigen Anforderungen an Bauprojekte nicht mehr gerecht. Sie ist nicht geeignet, Berliner Flughäfen, Elbphilharmonien oder aber anspruchsvolle Holzbauten mängelfrei und kosteneffizient zu erstellen. Nur eine vernetze Planung von Gewerken und Abläufen ermöglicht schnelles, effizientes, wirtschaftliches und transparentes Bauen, auch in Bezug auf Klimaschutzziele.


von Tobias Götz

Energetisch optimierte (Holz-)Neubauten können wirtschaftlich realisiert werden, wenn die an der Planung beteiligten Büros von Anfang an kooperieren und frühzeitig eine aufeinander abgestimmte Gesamtkonzeption (integrale Planung) entwickeln, in der die energetischen Anforderungen im Hinblick auf die Gebäudegeometrie und die technischen Anlagen optimiert werden. Nachfolgend soll ein Weg skizziert werden, der genau das berücksichtigt und zu einem mängelfreien und wirtschaftlichen Holzbau führt. Dabei wird deutlich, dass die notwendige Umstrukturierung des Planungsprozesses lediglich Leistungsphasen verschiebt, jedoch insgesamt nicht zu einem höheren finanziellen Aufwand führt.

1. Tragwerksplanung / Holzbauengineering

Wie jeder andere Baustoff auch, hat Holz seine eigenen, spezifischen Eigenschaften. Bauwerke und deren dazugehörige Tragwerke, die von Anbeginn der Planung auf diese Eigenheiten eingehen, sind wirtschaftlicher als solche, bei denen im Verlaufe der Planung irgendwann gegen Ende auf die Statik und die Konstruktion geschaut wird. Die Holzbauplanung macht es unerlässlich, dass bereits ab der Grundlagenermittlung eine „Hand-in-Hand-Zusammenarbeit“ seitens Architekt und Holzbauingenieur stattfindet. Wichtige konstruktive Festlegungen wie Spannweiten von Decken und Unterzügen, Spannrichtung, Tragwerks-/Konstruktionssystem, Bauteilaufbauten u.v.m. sind bereits in der Vorplanung sehr ausführlich zu betrachten, damit aus der großen Menge unterschiedlicher Bausysteme und Konstruktionsmöglichkeiten sehr frühzeitig ein wirtschaftliches Tragsystem gewählt werden kann – und die Planung nicht in einer Sackgasse mündet. Holz kann seine überlegenen Vorzüge erst dann richtig ausspielen, wenn die maximale Vorfertigung in der Produktion bereits in der Ingenieurplanung berücksichtigt wird. Gerne wird heutzutage mit 1:1-Losgrößen im Holzbau geworben, dank der Digitalisierung sei dies alles ja problemlos möglich. Es ist jedoch äußerst sinnvoll, das Rad nicht immer neu zu erfinden und für „Alltagskonstruktionen“ gängige Fertigungsverfahren zu kennen, die im modernen Holzbau für Wand- und Deckensysteme eingesetzt werden und für das entsprechende Bauvorhaben geeignet sind. Genau an diesem Punkt werden – anders als im klassischen Massivbau – schon in einem sehr frühen Stadium die Weichen für die Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit gestellt. Kenntnisse hierzu gehen über das Repertoire eines reinen Tragwerksplaners hinaus und müssen entweder „zugekauft“ werden oder durch die Beauftragung eines spezialisierten Holzbauingenieurs von Anfang an einfließen.

 

Aufgrund des hohen Vorfertigungsgrads beim Holzbau können Bauzeiten vor Ort reduziert und so Finanzierungskosten und

Baustellenemissionen eingespart werden. Bild: BDF/Rolf Vennenbernd

2. Technische Gebäudeausführung (TGA)

Wollte man die Arbeit von Gebäudetechnikplanern diskreditieren, dann müsste man die TGA-Spezialisten als diejenigen bezeichnen, die jedes wunderbare Gebäudekonzept dadurch ruinieren, dass an allen möglichen und vor allem unmöglichen Stellen gebohrt, geschlitzt und gestemmt wird, um sämtliche Leitungen verlegen zu können. Dies führt im schlimmsten Falle dazu, dass eine maximal vorgefertigte Holzbauwand auf der Baustelle in ihrer Statik, ihren Brandschutz- und Schallschutzeigenschaften sowie in ihrem Wärmeschutzverhalten total zerstört wird. Improvisationen auf der Baustelle analog zum Massivbau arbeiten absolut gegen die Vorplanung des Holzbaus. Es kann und darf niemals zu ungeplanten Leitungsverzügen auf der Baustelle kommen, die am Ende niemand mehr überblickt. In den letzten Jahren ist der Anteil der TGA-Installationen in unseren Gebäuden stark angewachsen. Damit dies allerdings beherrschbar ist und auch in Zukunft bleibt, müssen sämtliche Leitungen bereits vorab in der Vor- und der Entwurfsplanung parallel zum Tragwerk geplant werden. Insbesondere im Hinblick auf die Lebensdauer der technischen Anlagen, die im Übrigen deutlich kürzer ist als die Gebäudelebensdauer, ist ein klares Leitungskonzept obligatorisch. Aus Sicht des Holzbaus bedeutet dies, dass Leitungsstränge in Rücksprache mit dem Holzbauingenieur frühzeitig geplant werden müssen, um Kollisionen mit der Konstruktion zu vermeiden. Das Ordnen und Bündeln ist existentiell für das gesamte Leistungsvermögen der Holzbaukonstruktion. Ein kluges und sehr gut durchdachtes TGA-Konzept ist der Wegweiser für ein qualitativ hochwertiges Gebäude, einen fehlerfreien Bauablauf und schließlich eine nachhaltige Nutzung in der Zukunft mit entsprechenden Erweiterungs- und Umbaumöglichkeiten.

3. Brandschutz

Die Landesbauordnungen lassen deutschlandweit mittlerweile das Planen und Bauen von hölzernen Gebäuden bis einschließlich zur Gebäudeklasse 5 – und somit zur Hochhausgrenze – standardisiert zu. Analog zu den bereits beschriebenen Themen der Tragwerks- und der TGA-Planung müssen die Besonderheiten des brennbaren Baustoffs Holz bereits sehr frühzeitig in der architektonischen Planung berücksichtigt werden. So ist der Wunsch nach sichtbaren Holzoberflächen im Gebäudeinneren wie auch an der Fassade sehr gut umsetzbar. Dies muss allerdings mit allen beteiligten Fachplanern in der Vorplanungsphase abgestimmt werden. Eine hölzerne Fassade bei einem fünf- oder sechsgeschossigem Gebäude bedeutet eine Abweichung von der Landesbauordnung. Diese gilt es formaljuristisch wie auch konstruktiv in den gesamten Planungsprozess zu integrieren und kann „nicht einfach mal“ in der Ausführungsplanung irgendwie erledigt werden. Darüber hinaus lässt sich mit einfachen planerischen Mitteln wie z.B. kurzen Fluchtwegen oder kleinen Nutzungseinheiten eine gute Argumentation gegenüber der Genehmigungsbehörde erreichen, um geringfügige Abweichungen „pro Holzbau“ gut umzusetzen.

4. Schallschutz

Der Luft- und Trittschallschutz in einem hölzernen Gebäude muss die gleichen guten Eigenschaften aufweisen wie der eines vergleichbaren Massivbaus. Allerdings bietet der Holzbau im Vergleich zum Massivbau – beispielhaft sei hier die Geschosstrenndecke genannt – nicht „die eine einzige“ Lösung. Wird im klassischen Massivbau meistens mit einer ca. 20–30cm dicken Stahlbetondecke gearbeitet, die im Hinblick auf den Luft- und Trittschallschutz nahezu alle Anforderungen aufgrund ihrer hohen Masse gut erfüllt, kommen im Holzbau sehr viele unterschiedliche Systeme zum Einsatz. Die Sichtbarkeit der Holzbaukonstruktion soll häufig an der Decke zur Schau getragen werden. Allein die vielen unterschiedlichen Holzarten mit ihren unterschiedlichen Oberflächen und ihren unterschiedlichen statischkonstruktiven Eigenschaften zeigen, wie wichtig die frühzeitige Festlegung eines Deckensystems ist. Neben klassischen Balkendecken kommen zunehmend Vollholzdecken in Form von Brettstapel-, Brettsperrholz- oder auch Holz-Beton-Verbunddecken zum Einsatz. All diese Konstruktionen unterscheiden sich in ihrer Unteransicht, in ihrer Dicke und auch in ihren Kosten. Es gibt kein „richtig“ und kein „falsch“ bei all diesen Systemen – sie müssen aber frühzeitig ausgewählt und bestimmt werden. Eine Veränderung des Deckensystems in der Ausführungsplanung würde zu weitreichenden Veränderungen in der gesamten Architektur und auch Tragwerksplanung führen.

5. Klimaschutz / Klimawandeltauglichkeit

Der Gebäudesektor stellt für Städte und Kommunen die größte Stellschraube im Kampf gegen den Klimawandel dar. Die Gebäude der Zukunft müssen klimafreundlich, klimawandeltauglich und möglichst ohne den Einsatz von fossiler Energie hergestellt werden. Dies hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Architektur und tangiert die gesamte Gebäudeplanung. Grundsätzliche Entscheidungen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Gebäuden sind z.B.:

  • Kubatur & Gebäudeform
  • Ausrichtung im Hinblick auf den Sonnenstand (Wärmeschutz im Sommer)
  • Wahl der Energieversorgung
  • Außenanlagen im Hinblick auf eine mögliche Retention
  • Hochwasserschutz uvm.

Die Liste ließe sich mannigfaltig erweitern und zeigt die großen Herausforderungen des künftigen Bauens. Diese komplexen und vielfältigen Aufgaben können nicht alleine von den Architekten gelöst werden. Hier sind alle Fachdisziplinen gefragt, die nur in gemeinsamer Zusammenarbeit diese Aufgaben lösen können.

Negativbeispiel: „Improvisierte“ Leitungsstränge sorgen für Chaos. Bild: PIRMIN JUNG

Positivbeispiel: Ein klares Leitungskonzept ist mit der Konstruktion abgestimmt. BILD: PIRMIN JUNG

Planungen von Holzbauten im Kontext der HOAI

Die tradierte HOAI geht von einem stark phasenbezogenen Vorgehen im Planungsprozess aus im Sinne einer schrittweisen Näherung zur endgültigen Lösung. Dieses System stößt durch immer komplexere Bauwerke und durch eine stetig angestiegene Zahl von Fachplanern an seine Grenzen – unabhängig vom gewählten Baumaterial. Ein integraler Planungsansatz, der die beteiligten Fachplaner von Anbeginn neben den Architekten an den Planungstisch bringt, wird von der HOAI zwar nicht gerade unterstützt, aber inzwischen auch nicht mehr behindert. Allen Beteiligten steht es frei, sich auf eine andere Verteilung der Planungsleistungen zu verständigen als es die HOAI im klassischen Sinne vorgibt. Die Befürchtung, dies könne am Ende aufwändiger werden, scheint nicht gerechtfertigt. Die folgende Tabelle zeigt in einer Gegenüberstellung, wie sich Leistungen (und Kosten) der Fachplaner nach den Vorgaben der HOAI verteilen, wie diese Aufteilung der hier gegebenen Empfehlung folgend aussehen würde und wie die vermutete weitere Entwicklung aussehen könnte. Die gemachten Angaben basieren auf den Daten des Zeitmanagementsystems eines großen Holzingenieurbüros. Die dem zu Grunde liegende Fülle an realisierten Holzbauten ist so groß, dass statistische Ausreißer nicht relevant werden.

Das Konzept leuchtet ein. Der Holzbau lebt von maximaler Vorfertigung in der Werkstatt. Aus diesem Grunde muss den Leistungsphasen 2 und 3 eine wesentlich größere Gewichtung zukommen als es in der HOAI beschrieben wird. Die Ausführungsplanung wird dadurch kürzer, weil ein Großteil der Details bereits in der LPH 2 und 3 gelöst wurde, die spätere Güteüberwachung der Vorfertigung des Holzbauers in der Werkstatt sowie die Bauüberwachung bei der wesentlich kürzeren Bauzeit bringen dann wieder wesentlich geringere Planungszeiten mit sich – und somit am Ende kein erhöhtes Planungshonorar. Neben der konsequenten Planung ist das Einhalten eines Zeitmanagements sehr wichtig. Mehr als zwei Drittel aller Gebäude werden nicht zum vereinbarten Fertigstellungstermin übergeben, sondern deutlich später. Dafür ist eine Fülle von Einflussfaktoren verantwortlich, bis hin zum Materialmangel. Eine zentrale Stellgröße ist allerdings der Planungsprozess selbst. Die klassische Vorgehensweise nach HOAI birgt die Gefahr in sich, dass viele Fachplaner erst zu spät in die Planung einsteigen. Interventionen des Brandschutzplaners oder des Schallschutzexperten erfolgen nicht (wie hier vorgeschlagen) in der LPH 2 oder LPH 3, sondern erst – „klassisch“ – in der Ausführungsplanung. Im Zuge einer Massivbauplanung mag dies insofern noch funktionieren, als allen Planungsbeteiligten die Eigenschaften des Massivbaus vertraut sind und keine größeren Änderungen zu erwarten sind. Im Holzbau allerdings zeigt die Erfahrung, dass dies meistens zu einer erneuten Überarbeitung des architektonischen Konzeptes führt. Die dafür notwendige Zeit ist meistens natürlich nicht eingeplant, so dass hieraus gravierende Auswirkungen auf die gesamte Projektabwicklung entstehen in Verbindung mit einer massiven Unzufriedenheit aller Planungspartner. Im Zuge steigender Baupreise kann schon eine sechsmonatige Zeitverzögerung komplette Finanzierungspläne auf den Kopf stellen.

Zeitmanagement & holzbaugerechte Fachplanung nach den Vorgaben der HOAI im Vergleich zu tatsächlichen Kosten (PJ=Holzbauplaner)

Holzbaukompetenz in Leistungsphase 2 & 3 verankern

Die Leistungsphasen 2 und 3 sind die entscheidenden Schlüsselrollen in der Planung von Holzbauten. Hier werden die zentralen Weichenstellungen vorgenommen, in den Leistungsphasen 4 und 5 geht es dann um eine „solide Abarbeitung“. In der Vor- und Entwurfsplanung ist das Prüfen von Alternativen im Sinne unterschiedlicher statischer Systeme und unterschiedlicher Bauteile eine wesentliche Planungsaufgabe, um vor allem im Hinblick auf die Kosten die finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Möglichkeiten darzustellen.

Aufgrund der detaillierten Holzbauplanung in diesen frühen Phasen sind Kostenermittlungen mit einer höheren Genauigkeit von ca. +/– 10% (statt klassisch +/– 30%) möglich und führen im Umkehrschluss auch nicht zu „bösen“ Überraschungen, die dann wieder eine Neuplanung vonnöten machen.

Klare Zieldefinition des Bauherrn

Am Ende dieser Darstellung mit all den mannigfaltigen Einflussfaktoren des Planens muss klar gesagt werden, dass auch die Bauherren intensiv gefordert sind. Ziele müssen klar definiert sein, Entscheidungen müssen zwingend zu einem früheren Zeitpunkt getroffen werden als dies bisher in konventionellen Planungsabläufen geschieht. Improvisationen und Spontaneinfälle in bereits laufenden Planungen hinein sind kontraproduktiv und sehr teuer. Der Bauherr muss sich bewusst sein, dass eine Holzbauplanung analog zum Planungsprozess selbst mit vielen Entscheidungen in der Vor- und Entwurfsplanungsphase verbunden sein muss.

Generalplane oder Planungsteams

Es soll hier kein Plädoyer für die Zunft der Generalplaner abgegeben werden, so sehr sie Ihre Berechtigung haben mögen. Ein guter Architekt mit Blick aufs Ganze und der Fähigkeit den Planungs- und Bauprozess im „Sinne des Holzbaus“ zu organisieren, kommt zu vergleichbaren Ergebnissen, wenn er mit den richtigen Fachplanern zusammenarbeitet. Es spricht allerdings sehr viel dafür, Bewerbungen von Planungsteams/-arbeitsgemeinschaften zumindest zuzulassen. In diesem Falle sucht sich der Architekt die passenden Partner und Fachplaner vorab schon aus und vermeidet von aller Anfang des Planungsprozesses „Reibungsverluste“. ■

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Tobias Götz ist geschäftsführender Gesellschafter des auf Holzbau spezialisierten Planungsbüros PIRMIN JUNG Deutschland. Der ausgebildete Zimmermann und Bauingenieur war von 2015 bis 2021 außerdem Lehrbeauftragter für Ingenieurholzbau an der TU Kaiserslautern.