Nachhaltige BeschaffungFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen: Holzbau & Umweltaspekte im Vergaberecht

Das öffentliche Beschaffungswesen in Deutschland hat in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel erlebt. Nachhaltigkeit und umweltpolitische Ziele spielen eine immer größere Rolle. Die Zeiten von weichen Kann-Bestimmungen in Bezug auf Umweltaspekte beim Erwerb von Produkten oder der Verwendung von Baustoffen scheinen endgültig passé. Bevorzugungspflicht löst Prüfpflicht ab. Wirtschaftlichkeit wird neu berechnet, z.B. durch die Einbeziehung von Lebenszykluskosten, CO2-Schattenpreisen oder Qualitätsabsicherung durch Gütezeichen. Auch das Vergaberecht spiegelt diese Entwicklung wider und bietet heute vielfältige Möglichkeiten zur Verwendung nachhaltiger Bauprodukte und der Realisierung von umweltfreundlichen Bauvorhaben in Holz.


von Stefan Hitter

Umweltaspekte in alle Vergabestufen integrierbar

Grundsätzlich ist die Einbeziehung von Umweltaspekten in verschiedenen Stufen der öffentlichen Auftragsvergabe zulässig. Schon bei Bedarfsermittlung und Machbarkeitsstudie kann der Fokus auf Umweltaspekte und Nachhaltigkeit gelegt werden. Im Rahmen des Vergabeverfahrens kann von vornherein ein umweltfreundlicher Beschaffungsgegenstand ausgeschrieben werden – nicht aber ein spezielles Produkt. Bei der Leistungsbeschreibung dürfen bestimmte umweltfreundliche Produktionsmethoden gefordert werden, die das Produkt charakterisieren. Mittelbar dürfen auch Lebenszykluskosten einbezogen werden, die weiterhin Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben. Diese Kosten sind im Rahmen des Preis-Leistungsverhältnisses bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Sofern es für die Ausführung des Auftrags relevant ist, kann bei der Eignungsprüfung ein Nachweis über das Umweltmanagement gefordert werden. Die Wirtschaftlichkeit steht bei der Angebotsbewertung obenan. Alle Zuschlagskriterien sind mit der Veröffentlichung der Ausschreibung zu benennen. Darunter kommen Umweltaspekte in Betracht, sofern sie im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen. Hierzu stellt § 127 Absatz 3 GWB klar, dass eine hinreichende Verbindung zum Auftragsgegenstand schon dann gegeben ist, wenn sich das Kriterium auf ein Stadium im Lebenszyklus des Gegenstandes bezieht. Dass das Kriterium unmittelbar mit der Materialeigenschaft des Gegenstandes zusammenhängt, wird demnach nicht gefordert.

Auch bei der Ausführung des Auftrages können öffentliche Auftraggeber vom Bieter umweltfreundliches Verhalten fordern, solange dies im Zusammenhang mit der Auftragsausführung steht. Dazu gehört die Art und Weise der Lieferung, die Verpackung und die Rücknahme von Abfall oder die Einhaltung von Sortierungsregeln auf der Baustelle durch die Schulung der Mitarbeiter.

Qualitätssicherung und Nachweisführung durch Gütezeichen und Zertifikate, Bild: FNR/Papenfuss

Gesetzestexte: Umweltbezogene Aspekte im Deutschen Vergaberecht

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
§ 97 Allgemeine Grundsätze

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.


§ 127 Zuschlag 
(1) (...) Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.


Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A)
§ 2 Grundsätze

(1) Öffentliche Aufträge werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt


§ 16d Wertung
(4) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. (...) Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.
(5) Es dürfen nur Zuschlagskriterien und gegebenenfalls deren Gewichtung berücksichtigt werden, die in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. Zuschlagskriterien können neben dem Preis oder den Kosten insbesondere sein:
a) Qualität einschließlich technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit, „Design für alle“, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften;
b) Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder
c) Kundendienst und technische Hilfe sowie Ausführungsfrist.

 

Das Leistungsbestimmungsrecht nutzen: Qualität und technische Ausführung

Mit der Vergaberechtsmodernisierung im Jahre 2016 ist das Vergaberecht überarbeitet und insbesondere die nachhaltige und innovative Beschaffung gestärkt worden. Öffentliche Auftraggeber können seitdem einfacher und leichter nachhaltige (umweltbezogene, soziale und innovative) Vorgaben machen, die sich auf

  • Leistungsbeschreibung/technische Spezifikation,
  • die Eignung/Eignungskriterien,
  • den Zuschlag/Zuschlagskriterien,
  • die Ausführungsbedingungen beziehen, sofern ein sachlicher Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht.

Der Nachweis der geforderten Eigenschaften ist nunmehr über den pauschalen Verweis auf entsprechende Gütezeichen möglich. Damit können klare Qualitätskriterien zur Ausführung und zu Umweltstandards vorgegeben werden. Das kann zum Beispiel die Vorgabe von Holzbauweise oder ein allgemeiner Vorrang für biobasierte Bauprodukte – und damit verbunden auch die Vorlage bestimmter Umweltzeichen als Nachweiskriterium – sein.

Der Auftraggeber ist Bauherr und bestimmt, welche Art von Gebäude er errichten will, z. B. ein Gebäude, das so wenig wie möglich das Klima durch CO2-Emissionen beeinträchtigt und bei dem weitestgehend Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt werden. Sache des Architekten ist es dann zu beraten, wie die Vorstellungen umgesetzt werden können, zu prüfen, ob mit den gewünschten Bauprodukten die technischen Anforderungen zu erfüllen sind, und was im Kostenrahmen realisierbar ist.

Schon beim Vorentwurf sind ggf. Alternativen der Baumaterialien für das Tragwerk zu prüfen, etwa Massiv-, Stahl- oder Holzbauweise. Eine Ökobilanzierung oder Lebenskostenanalyse kann dazu weitere Klarheit schaffen. Wenn es danach an den Entwurf geht, muss die Bauweise klar sein. Auch die Materialien für Bauteile, Fenster, Türen, Treppen etc. sollten dann wegen der gestalterischen Zusammenhänge bestimmt sein. Bei der Ausarbeitung des Werks in den Details der Ausführung sind dann weitere Entscheidungen zu den Baumaterialien zu treffen. Spätestens im Rahmen der Ausführungsplanung und mit der Vorbereitung der Vergabe, d.h. mit dem Aufstellen der Leistungsverzeichnisse, muss abschließend entschieden werden, welche Bauprodukte verwendet werden sollen.

Vollständige Beschreibung der Bauleistung

Mit der Leistungsbeschreibung wird der Inhalt der Bauleistung konkret vorgegeben. Sie muss alle Informationen über Inhalt, Art und Zuschnitt des Auftragsgegenstands enthalten. Das Vergaberecht fordert eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung der Merkmale der ausgeschriebenen Leistung (§ 7 VOB/A). In den Leistungsverzeichnissen der einzelnen Gewerke sind bei der jeweiligen LV-Position die jeweils benötigten Mengen, die zu liefern oder leisten sind, nach Längen, Flächen, Rauminhalten oder Stückzahlen anzugeben und die Ausführung genau zu beschreiben. Die ausgeschriebene Leistung muss eindeutig, vollständig und technisch richtig beschrieben sein, damit ein Bieter alle kostenrelevanten Umstände der Bauaufgabe und die technischen Anforderungen kennt und seinen Aufwand korrekt kalkulieren kann.

Dem Leistungsverzeichnis ist zum besseren Verständnis der speziellen Aufgabenstellung in der Regel eine Baubeschreibung voranzustellen mit Angaben und Erläuterungen zur Bauaufgabe, die sich aus der Beschreibung der einzelnen Teilleistungen nicht ergibt. Erläutert werden sollten Zweck, Art und Nutzung des Gebäudes sowie das der Planung zugrundliegende Entwurfskonzept. Hier kann z.B. dargestellt werden, dass es der Wunsch des öffentlichen Auftraggebers ist, bei dem Bauvorhaben zur Reduktion von CO2-Emissionen möglichst weitgehend biobasierte Bauprodukte einzusetzen.

VOB Teil C: Technische Vertragsbedingungen

Die VOB enthält in Teil C eine Zusammenstellung von „Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen“ (ATV) für die Ausführung und Abrechnung von Bauleistungen für über 60 Gewerke, die alle nach einer einheitlichen Struktur aufgebaut sind. Sie sind zugleich DIN-Normen, die von den zuständigen DIN-Ausschüssen regelmäßig überprüft werden. Zum Beispiel unter  www.baunormenlexikon.de sind sie in der jeweils aktuellen Form online für angemeldete Nutzer entgeltpflichtig verfügbar.

In „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen“ (ZTV) können als Ergänzung der VOB Teil B, (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen/AVB) und der ATV zusätzlich besondere Anforderungen z.B. an die Art der Bauausführung, an die Abrechnung bzw. das Aufmaß von Bauleistungen, gewünschte Güteprüfungen für Baustoffe oder der Nachweis von Gütezeichen gefordert bzw. vereinbart werden. Im Bauvertrag haben die ZTV nach den ATV und vor den Einzelangaben der LV rechtliche Geltung.

Qualitätssicherung durch Gütezeichen & Zertifkate

Gütezeichen dienen als Beleg dafür, dass ein Bauprodukt bestimmten, in der Leistungsbeschreibung geforderten, Merkmalen entspricht. Um eine Diskriminierung von Bietern zu vermeiden, deren Produkte das Gütezeichen zwar nicht aufweisen, die aber unter gleichwertigen Anforderungen hergestellt wurden, werden gleichwertige Nachweise weiterhin zugelassen. Gütezeichen müssen bestimmte Bedingungen erfüllen, um pauschal oder als Nachweis für bestimmte Anforderungen eingefordert zu werden.

 
Nachweisführung durch Gütezeichen

Vergaberechtliche Voraussetzungen an Gütezeichen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1-5 VgV, § 7a EU Abs. 6 VOB/A:

1. Geeignetheit
Anforderungen des Gütezeichens müssen für die Beschreibung der Leistungsmerkmale geeignet sein und mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen.


2. Objektive Nachprüfbarkeit
Das Gütezeichen muss auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen.


3. Verfahrensoffenheit/Transparenz
Das Gütezeichen wurde in einem offenen und transparenten Verfahren entwickelt, an dem alle interessierten Kreise teilnehmen können.


4. Freie Zugänglichkeit
Alle interessierten Unternehmen haben freien Zugang zum Gütezeichen.


5. Unabhängigkeit
Die Anforderungen wurden von einer unabhängigen Stelle festgelegt.

Produktkennzeichnungen des Tys 1 gemäß ISO-Norm 14024 erfüllen im Allgemeinen diese Kriterien. Beispiele für solche Gütezeichen sind der „Blaue Engel“ (Umwelt) oder das „GS-Zeichen“ (Sicherheit). Auch Zertifikate können dieser Typisierung entsprechen und als Beleg dafür, dass ein Bauprodukt bestimmten, in der Leistungsbeschreibung geforderten Merkmalen entspricht, genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist das „FSC-Zertifikat“ (Holz), mit dem Produkte aus nachhaltiger Holzwirtschaft bzw. FSC-zertifizierten Wäldern bestätigt werden.

Während es bisher notwendig war, alle relevanten Kriterien in der Ausschreibung einzeln aufzulisten, ist es im Oberschwellenbereich wie auch Unterschwellenbereich nun möglich, Gütezeichen unter bestimmten Bedingungen pauschal einzufordern – wenn gleichwertige Nachweise weiterhin zugelassen werden. Sollte eine Leistung jedoch nicht allen Anforderungen des betreffenden Gütezeichens entsprechen müssen, ist weiterhin eine Auflistung der Kriterien notwendig, z.B. in Form einer Checkliste.

Nachhaltige Zuschlagskriterien und Gewichtung

Mit den Zuschlags- bzw. Auswertungskriterien kann die Vergabe gesteuert werden. Der Zuschlag erfolgt auf das wirtschaftlichste Angebot (§ 127 Abs. 1 S. 1 GWB). Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis – auch wenn in der Praxis immer noch eine starke Dominanz des Preises und der Fokus auf einer „Nur-Preis-Vergabe“ liegt.

Zur Ermittlung des wirtschaftlichen Angebots können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene und soziale Aspekte berücksichtigt werden (§ 127 Abs. 1 S. 2, 3 GWB). Qualitätskriterien können durch ein Punktesystem auf Basis einer Wertungsmatrix bewertet werden. Damit lassen sich Qualitätsunterschiede bei der Nachhaltigkeit berücksichtigen:

  • Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen und mit geringerer Umweltbelastung im Herstellungsprozess erhalten mehr Punkte bzw. eine höhere Bewertung,
  • Energieeffizienz des Gebäudes oder Nachhaltigkeitszertifikat als Mindestkriterium,
  • Konzept zur Vermeidung von Energie/Einsparung von Energie wird bewertet,
  • Vorgabe von Mindestpunktzahlen oder höhere Gewichtung von Nachhaltigkeitsaspekten im Verhältnis zum Preis.

Der öffentliche Auftraggeber kann auch Festpreise oder Festkosten vorgeben, so dass das wirtschaftlichste Angebot ausschließlich nach qualitativen, umweltbezogenen oder sozialen Zuschlagskriterien nach Satz 1 bestimmt wird. ■


Stefan Hitter ist Rechtsanwalt mit der Spezialisierung Immobilienrecht, Baurecht und Vergaberecht. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Vergaberecht sowie im öffentlichen und privaten Baurecht. Er begleitet Projektentwicklungen sowie größere Bau- und Erschließungsvorhaben und berät Städte, Gemeinden und Kreise im Rahmen von PPP-Projekten bzw. ÖPP-Projekten.