Nachhaltige BeschaffungFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Beispiel Konzeptvergabe Städtischer Wohnungsbau in Holz - Ökologische Mustersiedlung Prinz-Eugen-Park München

Die Landeshauptstadt München hat auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne ein neues Stadtquartier mit 1.800 Wohnungen, einem Nahbereichszentrum, Kindertagesstätten, einer Grundschule und vielen Gemeinschaftsflächen entwickelt, das Vorbildcharakter für ganz München hat. Rund ein Drittel der gebauten Wohnungen wurde als ökologische Mustersiedlung realisiert. Damit ist sie aktuell die größte zusammenhängende Holzbausiedlung in Deutschland.


von Ulrike Klar

Förderung des Wohnungsbaus in Holz & Holzhybrid

Bei der Entwicklung des neuen Stadtquartiers nutzte die Stadt München ihre Einflussmöglichkeiten und setzte bei der Vergabe der städtischen Grundstücke konsequent auf nachhaltig entwickelte Quartiersstrukturen und die Förderung des Wohnungsbaus in Holz- bzw. Holzhybridbauweise. Außerdem haben zwei Forschungsprojekte der Ruhr-Universität Bochum die Mustersiedlung wissenschaftlich begleitet und so zu einer erfolgreichen Umsetzung der Projekte in der ökologischen Mustersiedlung beigetragen.

Wie ist die Landeshauptstadt im Einzelnen vorgegangen, von der Entwicklung des städtebaulichen Rahmenplans, zu den Grundstücksvergaben bis hin zur Realisierung der Holzbauprojekte? Welche Kooperationspartnerinnen und -partner haben am Projekt mitgewirkt? Welche Themen standen bei der Planung und Entwicklung des Prinz-EugenParks und der ökologischen Mustersiedlung im Vordergrund? Der folgende Beitrag zeigt am konkreten Beispiel, welche Einflussmöglichkeiten seitens der Kommune bestehen, um eine nachhaltige Quartiersentwicklung und das Bauen mit Holz im urbanen Kontext zu fördern. Darüber hinaus gibt er einen Ausblick, wie sich die Stadt München zukünftig für nachhaltige Stadtentwicklung einsetzen wird.

Konzeptvergabe Städtischer Wohnungsbau in Holz: Das ehemalige Kasernengelände der

Prinz-Eugen-Kaserne in München wurde ab 2017 in ein Stadtquartier mit 1.800 Wohnungen

umgewandelt. Dabei fanden alternative Bauherrenmodelle wie Baugruppen und Baugenossenschaften besondere Berücksichtigung. Bild: Geodatenservice München 2020

Wohnen in München

Eine der wichtigsten Aufgaben in München ist die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum. Die Stadt wird weiter wachsen und somit auch die Nachfrage nach Wohnungen. Gleichzeitig verknappen sich die zur Verfügung stehenden Siedlungsflächen. Der Münchner Stadtrat hat daher 2016 das wohnungspolitische Handlungsprogramm „Wohnen in München VI“ beschlossen, in dem die Ziele der Münchner Wohnungspolitik fortgeschrieben und weiterentwickelt wurden. Damit werden alle verfügbaren Instrumente genutzt, um den Anteil an preiswertem Wohnraum zu schützen und den Neubau von Wohnungen zu fördern. Seit der Erstauflage des Programms der Münchner Wohnungsbaupolitik im Jahr 1989 sind über 157.000 Wohnungen fertiggestellt worden, das ist etwas mehr als der Wohnungsbestand von Karlsruhe.

Aufgrund der absehbaren Flächenverknappung hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Strategien zur Erschließung mittel- und langfristiger Wohnungsbaupotenziale für das gesamte Stadtgebiet untersucht. Dabei ließen sich als wesentliche Schwerpunkte die Umstrukturierung von Gewerbegebieten in Wohngebiete, die Nachverdichtung und die Neuentwicklung identifizieren.

Holzbau inder Stadt

Holz hat als Baumaterial eine Bedeutung gewonnen, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar war. Gerade bei der Nachverdichtung und dem Neubau in urbanen Strukturen kann der Holzbau große Vorteile bringen, denn er lässt sich leicht vorfertigen und elementieren. Durch das schnelle Zusammenfügen der vorgefertigten Elemente entstehen deutliche Zeitvorteile. Darüber hinaus gibt es weniger Baustellenverkehr. Bautechnische Forschungen haben große Verbesserungen beim Brand- und Schallschutz von Holzbauten bewirkt. Computergestützte Herstellungsmethoden ermöglichen völlig neue Formen der Gestaltung. Einer der ältesten Baustoffe liefert somit entscheidende Beiträge zu einer ressourcenschonenden Architektur, ein vertrautes Material präsentiert sich in neuer Vielfalt. Bauen mit Holz ist ein Statement für verantwortliches und nachhaltiges Bauen und kann daher bei der langfristigen Siedlungsentwicklung und den damit verbundenen Strategien für das Wohnen in München maßgeblich sein.

Das Bauen mit Holz spielte in München lange eine untergeordnete Rolle. Nur vereinzelt und meist im freifinanzierten Bereich des Wohnungsbaus wurde auf Holz gesetzt. Neue Impulse erhielt der Holzbau in München durch die Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzepts „Perspektive München“ im Jahr 2012. In dieser Online-Befragung, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv einbringen konnten, erhielt der Vorschlag „München profiliert sich als international führende Holzbaustadt“ die meisten Zustimmungen. Der Münchner Stadtrat hat daher das Referat für Stadtplanung und Bauordnung beauftragt, die Möglichkeiten für die Holzbauweise auszuloten. Als Ergebnis erfolgte der Auftrag des Stadtrates, das Projekt einer ökologischen Mustersiedlung in Holzbauweise zu prüfen und deren Umsetzung vorzubereiten und zu steuern.

Einbindung des Stadtrats

Eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung der Holzbauweise war die Einbindung und umfassende Information der politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat deshalb für die Mitglieder der wichtigsten Ausschüsse mehrere Informationsfahrten zu innovativen Holzbauprojekten veranstaltet. Zum Beispiel führte eine Informationsfahrt nach Bad Aibling in die „City of Wood“. Die Gebäude der „City of Wood“ sind bundesweit bekannte Vorbilder für den mehrgeschossigen Holzbau. Die Stadträte konnten sich auf der Exkursion über die moderne Holzbauweise informieren und innovative Technologien und Projekte von hoher Signalwirkung kennenlernen. Weitere Informationsfahrten zu erfolgreich realisierten Holzbauprojekten führten die Mitglieder der Ausschüsse beispielsweise zum IBA-Gelände nach Hamburg-Harburg und nach Zürich. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat mit diesen Exkursionen im Vorfeld des entscheidenden Stadtratsbeschlusses um Unterstützung für die ökologische Mustersiedlung geworben. Die Projekte zeigten, dass sich der Holzbau auch beim privaten Bauen eine wirtschaftliche Option darstellt.

Entwicklung des Prinz-Eugen-Parks und der ökologischen Mustersiedlung

Die Stadt München hatte bereits 2005 das Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne mit einer Größe von insgesamt 30 Hektar vom Bund erworben. Das neue Quartier mit insgesamt 1.800 Wohnungen, sechs Häusern für Kinder, einer Grundschule und einem Nahversorgungszentrum wurde nach dem Rahmenplan aus dem städtebaulichen Wettbewerb im Jahr 2009 (GSP Architekten und Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, beide München) entwickelt. Die Akteurinnen und Akteure im Prinz-Eugen-Park hatten sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt zu einem Konsortium, bestehend aus den beiden städtischen Gesellschaften GEWOFAG und GWG, der staatlichen Gesellschaft Stadibau, Genossenschaften, Baugemeinschaften und freien Bauträger und Bauträgerinnen zusammengeschlossen, um auf dem Areal Wohnanlagen, aber auch soziale Einrichtungen zu errichten. Durch den Mix aus unterschiedlichen Wohnprojekten, unter anderem in staatlichen und städtischen Förderprogrammen, ist ein breites Angebot für verschiedene Einkommens- und Altersgruppen entstanden.

Kriterien zum nachhaltigen Bauen und Gestaltungsleitfaden

Mit dem Beschluss vom Oktober 2015 beauftragte der Münchner Stadtrat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung eine ökologische Mustersiedlung in Holzbauweise zu projektieren. Die Mustersiedlung befindet sich im südlichen Teilbereich des Quartiers Prinz-Eugen-Park und umfasst inzwischen acht individuelle Holzbauprojekte, vom Holzhybridbau bis zum reinen Holzbau, mit insgesamt 566 Wohnungen. Städtebaulich gliedert sich die Holzbausiedlung in zwei Grundstücke (WA11-Ost und WA13) und drei Cluster mit jeweils einer fünf- bis siebengeschossigen Zeilenbebauung, viergeschossigen Stadthäusern und einer zwei- bis dreigeschossigen Reihenhaus- und Atriumhausbebauung. Rund 80% der Wohnungen in der ökologischen Mustersiedlung wurden als geförderte oder freifinanzierte Mietwohnungen realisiert, der Rest als selbstgenutzte Eigentumswohnungen von Baugemeinschaften.

Konzeptausschreibungen statt Preiswettbewerb

Die Stadt München hat insbesondere bei der Ausschreibung und Vergabe der städtischen Flächen große Einflussmöglichkeiten, um bei der Bebauung auf die Holzbauweise einzuwirken. Nach dem eingangs zitierten wohnungspolitischen Handlungsprogramm „Wohnen in München VI“ werden städtische Wohnungsbaugrundstücke grundsätzlich nicht mehr gegen Höchstgebot und somit nach Preiswettbewerb, sondern im Rahmen von Konzeptausschreibungen vergeben. Neben dem Preis nach Verkehrswert floß auch die Qualität des Konzepts in die Bewertung ein.

Die ökologische Mustersiedlung wurde von den beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG München, Baugenossenschaften sowie Baugemeinschaften realisiert. Diese Akteure erstreben innovative und nachhaltige Gebäudekonzepte und sind bereit, diese auch umzusetzen.

Die Vergabe der Grundstücke für die Baugemeinschaften und die Baugenossenschaften erfolgte aufgrund der großen Nachfrage in Form von Konzeptausschreibungen in einem zweistufigen Verfahren. Die erste Stufe beinhaltete niederschwellige Vergabekriterien, um den Aufwand der Bewerbung möglichst gering zu halten. Ging mehr als eine zulässige Bewerbung ein, folgte die zweite Stufe des Ausschreibungsverfahrens in mit weiteren Auswahlkriterien. Die Bewerbungskonzepte für die zweite Stufe enthielten dann über die Vergabekriterien der ersten Stufe hinausgehende Angebote und wurden nach einer vorab festgelegten Bewertungsmatrix ausgewertet. Den Zuschlag erhielt das Konzept mit der höchsten Punktzahl.

In der Ökologischen Mustersiedlung war der sogenannte Ökologische Kriterienkatalog der Landeshauptstadt München anzuwenden. Die darin enthaltenen Kriterien zum nachhaltigen Bauen in Bezug auf Gebäudeplanung, Energieeinsparung, Baustoffe, Haustechnik, Stellplätze, Außenanlagen und Artenschutz waren umzusetzen. Ein projektspezifischer Gestaltungsleitfaden für den Prinz-Eugen-Park formulierte darüber hinaus Ziele zum nachhaltigen Bauen. Bei den Ausschreibungen und Grundstücksvergaben wurden neben dem Kriterium Holzbau weitere Kriterien für nachhaltiges Bauen, wie z.B. Mobilitätskonzepte zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs, sparsamer Wohnflächenverbrauch sowie gemeinschaftsfördernde Maßnahmen wie Gemeinschaftsräume und Dachgärten eingefordert und verwirklicht.

Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der Holzbauweise

Wie wurde die ökologische Mustersiedlung geplant und realisiert? Für die erfolgreiche Umsetzung der Holzbauweise hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung drei wichtige Schwerpunkte festgelegt: die Definition der Holzbauweise, die Fördervoraussetzungen und die Qualitätssicherung der Holzbauweise durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung.

1. Definition: Was ist Holzbau?

Die Ausschreibung und Vergabe der Grundstücke für die ökologische Mustersiedlung in Holzbauweise erforderten Bewertungskriterien, die messbar sind und mit denen sichergestellt werden konnte, dass die gewünschten Qualitäten umgesetzt werden. Für die Definition der Holzbauweise hat die Stadt München als Kooperationspartnerin an einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekt der TU München und der Ruhr Universität Bochum mitgewirkt. Im Ergebnis der Forschung ist ein geeigneter und gut messbarer Parameter zur Bewertung von Holzbauten die Menge Holz, die im Gebäude verbaut ist, wie zum Beispiel von Wänden, Decken, Außenwänden oder Dach. Holz wird dabei als „nachwachsender Rohstoff“ in der Abkürzung „nawaros“ bezeichnet. Als Einheit für die Bewertung dient die Masse in Kilogramm an nachwachsenden Rohstoffen („nawaros“) je Quadratmeter Wohnfläche (kg nawaros/m² WF).

Für die Grundstücksvergaben hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung auf Basis des Forschungsprojektes drei Qualitätsstufen der Holzbauweise formuliert. Im Geschosswohnungsbau beträgt der Mindestanteil 50 kg nawaros pro Quadratmeter Wohnfläche, in der zweiten Stufe 90 kg/m² Wohnfläche und in Stufe drei 120 kg/m² Wohnfläche. Bei den kleineren Gebäuden (Atriumhäuser und Reihenhäuser) beträgt der Mindestanteil 150kg/m² Wohnfläche, in der zweiten Stufe 165kg/m² Wohnfläche und in Stufe drei 190kg/m² Wohnfläche. Bei den Grundstücksbewerbungen haben alle Bieterinnen und Bieter die Stufe drei und damit den größten Holzanteil bei ihren Projekten angeboten. Somit wurden bei den kleineren Gebäuden Holzanteile von bis zu 280 kg/ m² Wohnfläche und beim Geschosswohnungsbau Holzanteile von bis zu 240 kg/m² Wohnfläche verbaut.

2. Förderprogramm

Um die Realisierung der ökologischen Mustersiedlung zu ermöglichen, hat der Münchner Stadtrat ein eigenes Förderprogramm beschlossen. Durch das Programm haben die Beteiligten einen Zuschuss für Mehraufwendungen bei der Umsetzung in Holzbauweise erhalten. Eine wesentliche Fördervoraussetzung des Zuschussprogramms war der Nachweis, dass die Rohstoffe der Holzbauteile aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammen. Für die langfristig im Gebäude verbauten Holzbauteile wurde festgelegt, dass sie aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammen müssen, d. h. die Rohstoffe mussten nachweislich in Deutschland oder maximal 400 km vom Standort der ökologischen Mustersiedlung entfernt geschlagen worden sein. Alternativ war ein Nachweis erforderlich, dass heimische Hölzer mit FSC-, PEFC- oder Naturland-Zertifizierungen zum Einsatz kommen. Die Verwendung von Tropenhölzern, auch mit den genannten Zertifizierungen, war grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach der im Gebäude verbauten Masse Holz (in kg). Nach den Förderrichtlinien betrug der Zuschuss bei kleinen Gebäuden bis drei Geschosse bis zu 0,70€ pro kg „nawaros“ und beim Geschosswohnungsbau bis zu 2,00€ pro kg „nawaros“. Der Münchner Stadtrat hat für das Zuschussprogramm Haushaltsmittel in Höhe von 13,6Millionen € zur Verfügung gestellt.

3. Qualitätssicherung der Holzbauweise

Die Umsetzung des Holzbaus stellte für die Akteure eine große technische Herausforderung dar. Dementsprechend war die Expertise von Fachleuten gefragt, die über Erfahrungen mit mehrgeschossigen Holzbauten verfügten und Holzbauplanungen mit Blick auf den Brandschutz, Holzbau, Tragwerk,, den Schallschutz und besonders auf die technische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit beurteilen können.

Um die technische und gestalterische Qualität der Holzbauweise in der ökologischen Mustersiedlung zu sichern, führte das Referat für Stadtplanung und Bauordnung ein spezielles Beratungskonzept ein. Dazu gehörte die Implementierung eines Ratgebergremiums mit vier anerkannten Spezialistinnen und Spezialisten der Bereiche Holzbau, Tragwerk und Brandschutz, die die Projekte von der Planungsphase an berieten und begleiteten. Außerdem verpflichteten sich die Bauherrinnen und Bauherren zur Umsetzung eines integrierten Planungsansatzes. Erst so konnten die wesentlichen Vorteile der Holzbauweise wie eine verkürzte Bauzeit, Kostensicherheit und die gewünschte Ausführungsqualität zur Geltung kommen.

Wissenschaftliche Begleitung

Ein wesentlicher Aspekt für die erfolgreiche Umsetzung der ökologischen Mustersiedlung war die enge Zusammenarbeit der Stadt München mit der Ruhr-Universität Bochum und der TU München. In einem ersten DBU-Forschungsprojekt (Ruhr-Universität Bochum/Lehrstuhl Ressourcenenffizientes Bauen, Prof. Dr. Annette Hafner, und der TU München, Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion, Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter) wurde das Quartier bis nach der Ausschreibung der Grundstücke begleitet. Als Ergebnis wurde ein messbarer Kennwert für die Ausschreibungen (nawaros/m² WF) definiert, über den ressourceneffiziente Gebäude erreicht werden.

Um die Bedeutung des Baustoffes Holz für den Klimaschutz und eine nachhaltige Stadtentwicklung zu belegen, hat ein zweites DBU-Forschungsprojekt die Umsetzung der Gebäude begleitet. Von allen Gebäuden des Quartiers wurden normkonforme und an die Regeln des BNB (Bewertungssystem des Bundes „Nachhaltiges Bauen“) angelehnte Ökobilanzen über den gesamten Lebenszyklus erstellt (Veröffentlichung in: DBU-Bauband 4: Wohnquartier in Holz, Mustersiedlung in München, Detail Verlag). Die Ergebnisse zeigen, dass über den gesamten Lebenszyklus betrachtet ein sehr guter energetischer Standard und auch die verwendeten Baustoffe eine große Wichtigkeit haben. Insgesamt kann das Quartier mit dem verbauten Holz über 12.500 t CO₂ langfristig im Gebäude einlagern. Zusätzlich wird eine CO₂-Reduktion durch Substitution von energieintensiveren Baustoffen, hohe energetische Standards und die Nutzung von Fernwärme umgesetzt. Dadurch werden weitere CO₂-Reduktionspotenziale gehoben.

Ökologische Mustersiedlung - Erfahrungen

Anfang 2021 waren alle 566 Wohnungen der ökologischen Mustersiedlung fertiggestellt und bezogen. Neben Wohnanlagen haben die Bauherrinnen und Bauherren – Baugemeinschaften, Baugenossenschaften sowie die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG – auch Kindergärten, Werkstätten, Co-Working-Spaces, Gästeappartements, Gemeinschaftsräume, einen überdachten Marktplatz, ein Eiscafé, gemeinschaftlich genutzte Dachgärten und Urban Gardening-Flächen sowie die Quartierszentrale errichtet. Alle Projekte zeichnen sich durch eine hohe Planungs- und Umsetzungsqualität aus. Der integrierte Planungsansatz, bei dem alle an Planung und Bau Beteiligten von Anfang an einbezogen wurden und der für das Gelingen der Holzbauweise entscheidend war, wurde bei allen Projekten konsequent umgesetzt.

Bereits in den Planungen waren auch Aussagen zur Umsetzung der Holzbauweise und insbesondere zu den Massen an Holz bzw. nachwachsenden Rohstoffen enthalten, die in den Gebäuden verbaut werden. Diese Angaben dienten sowohl der Qualitätssicherung als auch der Ermittlung der Förderung aus dem Zuschussprogramm.

Ein großer Teil der Holzkonstruktionen wurde im Werk vorgefertigt und als Holzbauteil oder Holzbaumodul auf die Baustelle transportiert und dort montiert. Damit konnte ein schneller Baufortschritt erreicht werden.

Bereits heute hat sich das Quartier Prinz-Eugen-Park mit der ökologischen Mustersiedlung zu einem lebendigen Quartier entwickelt, in dem viel Wert auf die Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner und vernetzte Nachbarschaften gelegt wird. Schon während der Planungszeit hatten sich die sie zu einem Konsortium zusammengeschlossen, mit dem Ziel ein lebendiges und lebenswertes Quartier zu entwickeln. Aus den Mitgliedern des Konsortiums gründete sich bereits kurze Zeit später die GeQo eG – Genossenschaft für Quartiersorganisation, um Quartiersmanagement „aus dem Quartier für das Quartier“ zu betreiben. Die GeQo eG wird als Pilotprojekt im Rahmen der „Quartiersbezogenen Bewohnerarbeit“ mit Finanzmitteln der Landeshauptstadt München unterstützt (vorerst bis Ende 2023). Die Aufgaben der GeQo eG umfassen neben der Vernetzungsarbeit und der Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner am Quartiersleben auch konkrete Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Verwaltung der Gemeinschaftsräume und den Betrieb der Quartierszentrale.

Fazit - Ausblick

Die ökologische Mustersiedlung im Prinz-Eugen-Park leistet einen Beitrag zur Verbreitung des Holzbaus und etabliert den modernen Holzbau für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Das Ausschreibungsverfahren, die Vergabekriterien sowie das Förderprogramm sind Anregungen für andere Städte. Mit der Umsetzung der ökologischen Mustersiedlung wurden in acht Projekten 566 Wohnungen hergestellt, davon 452 geförderte und freifinanzierte Mietwohnungen. Durch die vielseitigen Projekte wird gezeigt, dass die Holzbauweise auch für Bestandshalter interessant ist. Durch die vom Münchner Stadtrat für das Zuschussprogramm bereitgestellten 13,6 Millionen Euro war es möglich, die Holzkonstruktionen und Massen an nachwachsenden Rohstoffen individuell und großzügig zu fördern. Dadurch wurden in der Ökologischen Mustersiedlung sehr vielfältige und verschiedene Holzbau- und Holzhybridbauweisen möglich, die von einer Stahlbetonskelettbauweise mit einer Fassade in Holzrahmenbauweise bis zu massiven Brettsperrholzkonstruktionen inklusive den Treppenhäusern und Aufzugsschächten variieren.

Die Stadt München wirkte als Kooperationspartnerin an einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekt der Ruhr Universität Bochum mit. Das Forschungsprojekt hat unter anderem dazu beitragen, die modellhafte Entwicklung eines innovativen Konzeptes für ein ressourcenschonendes Quartier darzustellen, die umgesetzten Maßnahmen zu dokumentieren, und den Kohlenstoffspeicher sowie die Klimaschutzwirkung auf Gebäude- und Quartiersebene zu quantifizieren.

Die Landeshauptstadt München wird den mehrgeschossigen Wohnungsbau in Holz- bzw. Holzhybridbauweise weiter fördern. Die Erkenntnisse aus der ökologischen Mustersiedlung dienen als Best-Practice-Beispiele für weitere Stadtentwicklungsvorhaben. Im März 2022 wurde ein neues Zuschussprogramm „Holzwohnungsbau in München“ für Holz- bzw. Holzhybridbauweise im mehrgeschossigen Holzwohnungsbau aufgelegt. Es steht sowohl für Siedlungen im größeren städtebaulichen Kontext als auch für Einzelprojekte zur Verfügung. Damit werden Vorhaben im geförderten und preisgedämpften Mietwohnungsbau gefördert. Insgesamt werden mehr als 50% der Grundstücke in München nur für den Holzbau ausgeschrieben. ■


Ulrike Klar ist Stadtdirektorin bei der Landeshauptstadt München für Wohnungsbau und Stadtsanierung. Ihre zentralen Themen sind der bezahlbare Wohnungsbau und der soziale Frieden in München. Ein besonderes Anliegen ist Ulrike Klar, in den kommenden Jahren das mehrgeschossige Bauen mit Holz in München weiter voranzubringen.