Nachhaltige BeschaffungFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Klimaneutral bis 2045: Politischer Rahmen für Holzbau

Der Bausektor verursacht mehr CO2-Emissionen als Fliegen und Kreuzfahrten zusammen. Politik und Gesellschaft ist klar, dass wir unsere Art zu bauen radikal ändern müssen. Bauen mit Holz ist Klimaschutz. Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft ist damit Teil der Lösung für die zentrale Herausforderung unserer Zeit.


von Dr. Denny Ohnesorge

Politischer Wille pro Holzbau

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte im September 2020 in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union, dass unsere Gebäude „weniger verschwenderisch, weniger teuer und nachhaltiger werden sollen“. Organische Baumaterialien wie Holz könnten aus ihrer Sicht helfen, den Bausektor sogar in eine Kohlenstoffsenke zu verwandeln. Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder verkündete im Juli 2021 
vor dem Bayerischen Landtag: „Wo es geht, wird Holz verbaut“.

Bereits 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. In den kommenden Jahren werden die Anforderungen an das Bauen deshalb immens steigen. Die EU und die Bundesregierung haben die Klimaziele angehoben und verbindliche Emissionsziele für die Sektoren Landnutzung, Industrie, Verkehr und Gebäude – also das Bauen – beschlossen. Wohnraum muss schneller denn je kostengünstig und mit guter Ökobilanz geschaffen werden.

Nachverdichtung im urbanen Raum: CO2-neutrales Wohnbauprojekt „MaxAcht“ im  Olga-Areal in Stuttgart. Bild: Jürgen Pollak Photographie & Film

Nachverdichtung im urbanen Raum: CO2-neutrales Wohnbauprojekt „MaxAcht“ im Olga-Areal in Stuttgart. Bild: Jürgen Pollak Photographie & Film

Immer mehr Holz in den Städten

Für die Riesenaufgabe, den Holzbauanteil zu erhöhen und das Bauen mit Holz gleichzeitig einfacher zu machen, kommt es besonders auf die Kommunen und Landkreise an. Sie sind für viele der öffentlichen Bauvorhaben zuständig – daraus hat sich aber bisher noch nicht mehr Offenheit auf allen Ebenen der öffentlichen Hand ergeben. Vorurteile und Vorbehalte gegenüber der Holzbauweise halten sich hartnäckig. Leider sind die Bauvorschriften und Genehmigungsverfahren noch immer komplex und in jedem Bundesland verschieden. Das macht es nicht nur für Planer, sondern auch für überregional tätige Betriebe unnötig schwer, in Holz zu bauen.

Dabei hat sich viel getan in den letzten Jahrzehnten. Noch bis in die 1960er und 1970er Jahre dachten die meisten beim Bauen mit Holz allenfalls an eine Skihütte. Lange Zeit galt Holz als unzeitgemäßes Material, das den technischen Ansprüchen im Bauwesen nicht gerecht werden könne. Der erste wirkliche Boom setzte in den 90er-Jahren mit weiterentwickelten Dünnplattenwerkstoffen und neuen Möglichkeiten zur Vorfertigung ein. Mit der Einführung des Massivholzbaues um die Jahrtausendwende gab es dann die zweite Holzbauwelle. 

Während sich der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser in Holzbauweise von gerade einmal sechs Prozent zu Beginn der 1990er-Jahre auf mittlerweile 23% mehr als verdreifacht hat, Tendenz steigend, sieht es bei den Mehrfamilienhäusern in Holzbauweise immer noch sehr mau aus. Hier liegt der Anteil gerade einmal bei rund 4%. Im städtischen Wohnungsbau ist der Holzbau noch deutlich unterrepräsentiert.

Anteil Holzbauweise an genehmigten Wohngebäuden 2011–2020

Die Charta für Holz 2.0 des Bundeslandwirtschaftsministeriums

Die Charta für Holz 2.0 ist ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) initiierter Dialog für die effiziente Nutzung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Deutschland. Verantwortliche aus Bund, Ländern und Kommunen sowie aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kommen im Rahmen der Charta zusammen, um sich über mögliche Lösungswege auszutauschen. Im Auftrag des BMEL betreut die FNR die einzelnen Arbeitsgruppen operativ und organisiert Fachgespräche, Plattformen sowie Tagungen.

www.charta-fuer-holz.de

Bereits 2004 startete das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Basis der Ergebnisse der Bundeswaldinventur und in Erkenntnis großer ungenutzter Rohholzpotenziale im deutschen Wald eine Initiative mit den Zielen, die „Nachfrage nach heimischem Holz“ zu steigern und das „Holzangebot qualitativ und quantitativ zu optimieren“ – die Charta für Holz. Die im Rahmen der Charta erarbeiteten Maßnahmenvorschläge, politischen Handlungsempfehlungen und Projektideen trugen dazu bei, dass die Bereitstellung von Rohholz aus deutschen Wäldern in den folgenden zehn Jahren deutlich anstieg. Die Charta gab aber auch den wichtigen Anstoß für zahlreiche Projekte, die die Datenbasis, unter anderem der Holzverwendung, verbesserten. Besonders wichtig waren jene Projekte, die die Grundlagen über das Wissen des Klimaschutzbeitrags von Wald und Holz schufen. Denn diese Erkenntnisse trugen wesentlich dazu bei, dass die Bedeutung der Waldbewirtschaftung und der Holzverwendung für den Klimaschutz bei politischen Entscheidungsträgern heute weitgehend bekannt und anerkannt sind. Sie waren zudem Grundlage dafür, dass im nationalem Klimaschutzplan 2050 aus dem Jahr 2016 die nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holzverwendung als förderungswürdige Maßnahme für den Klimaschutz Einzug fanden und das BMEL zur Fortführung der Charta für Holz beauftragt wurde.

Die 2017 als Dialogprozess gestartete Charta für Holz 2.0 erarbeitet in sechs thematischen Arbeitsgruppen Lösungsansätze und Maßnahmenvorschläge, um „den Beitrag nachhaltiger Holzverwendung zur Erreichung der Klimaschutzziele“ zu stärken. Waren die Aktivitäten der ersten Charta noch von hohen Holzvorräten und ungenutzten Rohholzpotenzialen geprägt, wird die Charta für Holz 2.0 begleitet von der Frage, wie eine stärkere Holzverwendung mit möglichst größtem Klimaschutzpotenzial bei sich verändernden Waldökosystemen, sparsamsten Ressourceneinsatz und hoher Akzeptanz der Gesellschaft realisiert werden kann. Das BMEL berief dazu Experten aus Bund, Ländern, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in die Arbeitsgruppen und beauftragte die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe mit der Umsetzung des Dialogprozesses.

Arbeitsgruppe "Bauen mit Holz in Stadt und Land"

Die Arbeitsgruppe „Bauen mit Holz in Stadt und Land“ widmet sich vor allem den zentralen Problemfeldern:

  • Abbau von regulatorischen Hemmnissen für das Bauen mit Holz in den bedeutendsten Märkten und Etablierung der Holzbauweise als gleichberechtigt neben anderen Bauweisen,
  • Gestaltung von Planungsprozessen und Ausschreibungen für eine wirtschaftliche Anwendung der vorgefertigten und elementierten Holzbauweise in der Praxis,
  • Fort- und Weiterbildungsprogramme für mehr Holzbaukompetenz in der Planung

Holzbau optimal für innerstädtische Nachverdichtung

Einen großen Vorteil bietet der Werkstoff Holz bei der städtischen Nachverdichtung aufgrund der Möglichkeit, mit vorgefertigten Modulen zu arbeiten sowie seiner Leichtigkeit. So haben Holzkonstruktionen nur etwa 20 bis 50% des Eigengewichts von mineralischen Gebäuden. Der Bedarf an günstigem und nachhaltigem Wohnraum wird in den nächsten Jahren noch stärker zunehmen. Zugleich werden Grund und Boden immer teurer. Bestehende Quartiere nachzuverdichten, ohne neues Bauland erschließen zu müssen, kann eine Lösung sein, dem enormen Wohnraummangel in Deutschland zu begegnen. So schätzen Forscher die „innerstädtischen Bau-Potenziale“ auf 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen. Allein durch Aufstockung von Büro- und Verwaltungsgebäuden könnten 560.000 Wohnungen entstehen. Deshalb muss die Bauordnung hier flexibler werden. Konkret scheitern viele Projekte an Lärmschutzvorschriften, Traufhöhen und Geschossflächenzahlen. Aufstockungen und Dachsanierungen in Holzbauweise können ein probates Mittel sein, schnell, sauber und geräuscharm Wohnraum zu schaffen. Wichtig ist, die Bewohnerinnen und Bewohner möglichst früh in den Bauprozess einzubeziehen und so Ängste und Vorbehalte zu nehmen. Bewährt hat sich auch, den Zugang auf Dachbaustellen von außen zu ermöglichen, um keinen Baustellenverkehr direkt im Haus zu haben.

Aus dem Dialog ins Handeln übegehen

b wir das Ziel Klimaneutralität erreichen, entscheidet sich in der Art unseres Bauens. Mit 40% aller weltweiten CO2-Emissionen im Gebäudesektor besteht akuter Handlungsbedarf, das Bauen nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten. Um im Jahr 2050 in diesem Sektor klimaneutral zu werden, müssten heute schon alle neuen Gebäude klimaneutral oder sogar klimapositiv gebaut werden. Bis 2045 müssen beispielsweise 30Millionen Bestandsgebäude saniert werden – die aktuelle Sanierungsquote liegt aber bei gerade einmal bei 0,7%. Es kommt nun darauf an, dass Politik, Bauwirtschaft, Architekten und Kommunen das Bauen und Planen mit Holz neu denken und aus dem Dialog ins Handeln übergehen. Die Arbeitsgruppe „Bauen mit Holz“ der Charta für Holz wird weiter bemüht sein, Lösungsansätze aufzuzeigen und Impulse zu setzen. Wenn uns dies gelingt, steht einem neuen Holzzeitalter nichts mehr im Weg. ■


Dr. Denny Ohnesorge ist seit 2012 Geschäftsführer des Deutschen Holzwirtschaftsrates (DHWR) und seit dem 1. Januar 2020 Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie (HDH). Ohnesorge promovierte am Institut für Forstbenutzung der Universität Freiburg. Bis 2019 vertrat er die Rohholz verarbeitende Industrie. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Bauen in Stadt und Land“ der Initiative Charta für Holz 2.0 der Bundesregierung.