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Holzbau ist anders, aber nicht komplizierter

Viele (öffentliche) Bauherren geraten vor allem bei einer erstmaligen Beschäftigung mit dem Thema Holzbau an eine Art Hemmschwelle, die sie vor der vermeintlichen Komplexität beim Bauen mit diesem Material zurückschrecken lässt. Tatsächlich ist die Vorgehensweise bei der Planung und Vergabe solcher Projekte etwas anders. Sie dient jedoch dazu, ein optimales Ergebnis zu erzielen: Ein nachhaltiges, schnelles, mängelfreies Bauwerk, das im Rahmen des ermittelten Budgets fertiggestellt wird.


von Hannsjörg Pohlmeyer

Schrittweises Vorgehen: Das traditionelle Verständnis vom Bauprozess 

Unsere Bau- und Ausschreibungsvorschriften und auch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) fußen auf einem traditionellen Verständnis des Bauprozesses, einer Schritt-für-Schritt (iterativen) Vorgehensweise. Diese beginnt mit einem sich immer weiter verfeinernden Entwurf des Architekten. Danach werden die Fachingenieure hinzugezogen. Es folgt die Werkplanung (evtl. vom Auftragnehmer erledigt), dann Auftragsvergabe/Ausschreibung und anschließend der – ebenfalls iterative – Bauprozess. „Tradierter Nebeneffekt“ dieses Workflows ist die Angewohnheit, Entscheidungen bis in die Bauphase auszulagern oder gar in den Bauprozess hinein zu improvisieren.

Planung findet in diesem Verfahren auf unterschiedlichen Ebenen in unterschiedlichen (Papier-) Formaten statt, die einen Gesamtüberblick erschweren und zahlreiche Konfliktpunkte erzeugen. Da wir technisch immer komplexere Bauwerke errichten, liegt auf der Hand, dass nahezu jedes Entscheidungsschräubchen Einfluss auf dutzende weitere hat, deren Auswirkungen mitunter nicht sofort zu erfassen sind.

Studierendenwohnheim CUBITY in Frankfurt (Main). Zur Wiederverwendung geeignete,

elementierte Brettschichtholz-Fachwerkkonstruktion auf quadratischer Grundfläche. Architekten: Joppien, Arch mit Studierenden TU Darmstadt; Ausführung Holzbau: DFH Deutsche Fertighaus Simmern. Bild: Thomas Ott

 

Ganzheitliche Bauplanung mit BIM (Building Information Modelling)

Das spricht nun ganz klar für Planungsdisziplin (erst zu Ende planen, dann bauen), für das parallele Planen aller Fachdisziplinen auf einer für alle einsehbaren Plattform, auf der Konflikte sofort erkennbar werden. Neudeutsch und in der digitalen Version nennt man so etwas BIM (Building Information Modelling). Nur so ist es – durch gemeinsame Optimierung – möglich, das Beste aus jedem eingesetzten Baustoff herauszuholen. Im Idealfall hat man heute einen Digitalen 3-D-Zwilling des geplanten Gebäudes, den man mit einer VR-Brille betreten und die Schlüssigkeit aller Planungsleistungen überprüfen kann. Für den Bausektor eine ferne Vision? Für Automobile, die technisch keineswegs weniger komplex sind als ein Gebäude, heute „state of the art“.

Digitale Planung ist bereits heute Realität und Notwendigkeit für den Holzbau, der streng auf dem Prinzip der Vorfertigung beruht. Auf der Baustelle angekommen, werden die Elemente mit großer Geschwindigkeit aneinandergefügt. Je nach gewünschtem Grad an Vorfertigung sind sie bereits befenstert, haben fertige Innenwände und Fassaden. Da bleibt kein Platz mehr für improvisierte „Nachbesserungen“.

Der Vorteil aller Disziplin: eine schnelle, störungsfreie Baustelle, keine Baustellenabfälle, minimierter Transport, keine Staub- und wenige Geräuschemissionen. Alle Bauteile sind dokumentiert, güteüberwacht und wenig fehleranfällig. In der kurzen Bauphase bleibt der Preis kalkulierbar.

Building Information Modelling (BIM) ist eine Arbeitsmethode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software. Dabei werden alle relevanten Bauwerksdaten digital modelliert, kombiniert und erfasst. Das Bauwerk ist als virtuelles Modell auch geometrisch visualisiert. Bild: andOFFICE Blatter Ertel Probst

"Holzverstand" im Ausschreibungsverfahren verankern

In diesem Themendossier erfahren Sie mehr darüber, wie die geschilderten Grundprinzipien in eine Ausschreibung integriert werden. Entgegen landläufiger Annahme ist es nicht notwendig, unbedingt an Generalplaner und Generalunternehmer auszuschreiben. Auch muss man sich nicht von vornherein auf ein bestimmtes Holzbausystem festlegen. Notwendig ist nur, dass der „Holzverstand“ schon frühzeitig in die Planung einfließt. Vieles spricht dafür, dass sich Architekt und Fachplaner im Team bewerben sollten. Angestrebtes Ergebnis des Planungsprozesses ist eine ausschreibungsreife Planung, die die Standards der Fertigung berücksichtigt. Idealerweise so, dass jeder güteüberwachte Holzbaubetrieb sich um den Auftrag bewerben kann und nicht einige wenige Spezialisten. Zugleich entfallen durch die „enthaltene Holzkompetenz“ aufwändige Anpassungen in der Werkplanung. Ohne solche Zwischenschritte wird die Bearbeitung schneller und wirtschaftlicher. Gute Planung macht sich bezahlt.

Das frühzeitige Zusammenführen von Architekt und Fachplanern weicht vom gewohnten Vorgehen in den Leistungsphasen ab. Die Dinge werden nicht anders, sondern nur früher erledigt und sind daher weder aufwändiger noch teurer. Eine Antwort dazu, wie man das HOAI-konform abwickeln kann, liefert der Beitrag „Besonderheiten der Holzbauplanung“.

 

Geliefert wie bestellt: Leistungsbestimmungsrecht pro Holzbau konsequent anwenden

Erforderlich und sinnvoll sind auch klare Entscheidungen des Bauherrn. Er muss seine Materialentscheidungen treffen und dieses dann in der Planung konsequent umsetzen (lassen). Die gelegentlich behauptete Materialneutralität bei Ausschreibungen gehört in das Reich der Fabel. Natürlich ist zu Anfang eines Planungsprozesses unvoreingenommen zu prüfen, welche Materialien den konkreten Anforderungen am besten entsprechen. Ist das aber geschehen, greift das Leistungsbestimmungsrecht des Bauherrn. Er entscheidet, was für ein Gebäude er haben will – aus Stahl, Beton, Holz oder ein hybrid konstruiertes Bauwerk. Danach muss dann materialgerecht weiter geplant werden, entsprechend dem spezifischen statischen Leistungsvermögen, den Produktionsbedingungen, den bauphysikalischen Eigenschaften, der Ökobilanz, usw. Nur so kann ressourceneffizient und am Ende auch kostengünstig gebaut werden.

 

 
Besonderheiten Holzbau vs. Massivbau

Methodik

  • anderer Planungsablauf, Verschiebung der HOAI Leistungsphasen
  • sehr hoher Vorfertigungsgrad
  • höherer Digitalisierungsgrad
  • weniger Flexibilität für spätere Veränderungen oder spontane Ideen
  • stärkere Dokumentation, einfachere Ökobilanzierung

Zeitkomponente

  • längere Planung, erheblich kürzere Bauzeit
  • Veränderung bei Bauantragseinreichung

Teamkomponente

  • möglichst frühere Einbindung von Holzbaukompetenz, z.B. im Planungsteam
  • oft keine rein gewerkeweise Planung/Ausschreibung sondern Gewerke-Teams oder Generalunternehmer

Preiskomponente

  • bei optimierter Planung bleibt Preis vergleichbar und kalkulierbar
  • positive Auswirkung bei Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Einbeziehung von Lebenszykluskosten und CO2 Schattenpreise

 

Digitale Planung für transparenten Klimaschutz: Ökobilanzierung & Cradle-to-Cradle

Die Vermutung ist nicht allzu abwegig, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sich auch deshalb mit dieser Broschüre beschäftigen, weil Ihnen neben dem Holzbau auch der Klimaschutz ein Anliegen ist. Die beschriebene digitale Planung und Fertigung liefern auch dazu wichtige Beiträge. Und zwar über den dem Holzbau immanenten Klimavorteil hinaus. Denn alles ist dokumentiert, alles mit Ökobilanzdaten „unterfüttert“ und alles unterstützt sogar eine spätere Wieder-/Weiterverwendung (Cradle-to-Cradle). Abschließend ein Wort zur Zukunft des Bauens: Ein Vergleich der hiesigen Bauwirtschaft mit anderen Branchen unserer Volkswirtschaft, aber auch mit den Wettbewerbern im europäischen Ausland, fällt wenig schmeichelhaft aus: Deutschlands Bauwirtschaft als Schlusslicht bei der Digitalisierung, Rote Laterne bei der Produktivitätsentwicklung. Kein Zufall deshalb, dass 92% der Unternehmen der Bauwirtschaft kein Klimaschutzziel, keine Strategie dafür haben. Etwa zwei Drittel der öffentlichen Bauten verfehlen sowohl ihren Zeit- als auch ihren Budgetplan. Zugleich hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt die Anzahl der Bauschäden ebenso verdoppelt, wie die durchschnittliche Schadenssumme pro Einzelbauwerk. Die zunehmende Komplexität unserer heutigen Gebäude lässt sich offenbar ohne digitale Planung und Dokumentation schwer beherrschen.

In diesem Themendossier wird deutlich, dass Holzbau anders, besser aufgestellt ist. Die digitale Prozesskette ist selbstverständlich, deutsche Softwareentwickler und Holzbau-Maschinenbauer sind Weltmarktführer. Es ist kein Zufall, dass in jüngster Zeit eine ganze Reihe renommierter Holzbaubetriebe von mittelständischen Bau-Holdings aufgekauft wurden und mit ihnen das offenbar dringend benötigte Know-How. So lässt sich denn mit Gewissheit sagen, mit Holzbau bewegt man sich tatsächlich auf dem Pfad der Zukunft des Bauens. ■


 

 

Hannsjörg Pohlmeyer ist diplomierter Forstwirt und seit 1983 Mitarbeiter von Landesforsten Rheinland-Pfalz. Parallel zu seiner Tätigkeit im Ministerium und 25 Jahren als Forstamtsleiter begleitete er zahlreiche Projekte im Bereich Holzmarketing/Holzbau. Seit 2009 hat er die Leitung des Projektes Holzbaucluster Rheinland-Pfalz inne. Hannsjörg Pohlmeyer ist stv. Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Bauen in Stadt und Land“ der Charta für Holz 2.0 der Bundesregierung.