Nachhaltige BeschaffungFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Vergabe von Dienstleistungen: Nachhaltiger ingenieurbiologischer Landschaftsbau

Zum vorbeugenden Schutz von Wegen, Straßen und Schienen, hydraulisch belasteten Gräben, Gewässerufern und -sohlen sowie von erosions- und abbruchgefährdeten Böschungen (inkl. Pisten, Halden, Deponien), aber auch zur Reparatur vorhandener Erosionsschäden steht dem Planer eine Vielzahl an nachhaltigen Sicherungsbauweisen zur Verfügung.

- Text: Klaus Diehl, erschienen im "Themenheft II: Öffentliche Grünflächen & Forst" aus der Reihe Nachwachsende Rohsoffe im Einkauf (2012) der FNR. 


Die früher massive Betonbauweise und damit der nicht landschaftsgerechte Verbau ging vornehmlich zulasten der Gewässerstruktur und Gewässerdynamik sowie des Landschaftsbildes und führte zu Bodenversiegelung und häufig zum Verlust wertvoller Biotope an Extremstandorten.

Ausgehend vom alpinen Raum, gewinnen die umweltschonenden und landschaftsgerechten ingenieurbiologischen Bauweisen heute weltweit an Bedeutung. Die Palette der möglichen Materialien ist vielfältig. Ziel der meisten Maßnahmen ist es, über eine temporäre Sicherung durch abbaubare Naturmaterialien langfristig eine Sicherung durch die Wurzelwirkung des gleichzeitig eingebrachten Pflanzmaterials zu erreichen. Dabei spielen anstehende organische Materialien wie Baumstämme, Äste, lebende Pflanzenteile sowie einheimisches Pflanzgut als Baustoffe ebenso eine Rolle wie eine Vielzahl industriell gefertigter Systemprodukte auf Basis nachwachsender Rohstoffe.

Kann eine Reparatur, vorbeugende oder langfristige Sicherung durch abbaubare Naturmaterialien und Pflanzen nicht gewährleistet werden, kommen im Bereich der Ingenieurbiologie auch andere Materialien wie Gesteine oder Systemprodukte aus Kunststoff oder Metall zum Einsatz. Oft handelt es sich um kombinierte Materialien, bei denen nachwachsende Rohstoffe die temporär notwendige Schutzfunktion übernehmen, während Kunststoffe die langfristige Stabilität gewährleisten. Weiterhin spielen in der modernen Ingenieurbiologie auch Kleber, Mulch- und Bodenverbesserungsstoffe eine Rolle, die in vielen Fällen biobasiert sind. Aus Spargründen verzichtet die öffentliche Hand bei vielen Baumaßnahmen, insbesondere bei der Herstellung von langen Böschungsabschnitten, oftmals auf Erosionsschutzmaßnahmen. Doch sollten die eingesparten Kosten den möglichen Folgekosten gegenübergestellt werden, die durch die notwendige Beseitigung von Erosionserscheinungen entstehen. Konkretere Informationen liefern die Veröffentlichungen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) „Empfehlungen zur Begrünung von Problemflächen“ (1998) und „Empfehlungen für Besondere Begrünungsverfahren“ (1999). Im Folgenden werden in der Ingenieurbiologie relevante Baustoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe, ihre Bauweisen, Verfahren und Anwendungsbesonderheiten vorgestellt. Planer und Bedarfsträger erhalten so Hintergrundinformationen darüber, welche Materialien und Produkte für welchen Anwendungsbereich besonders geeignet sind, sodass deren Verwendung mit der Auftragsvergabe gefordert werden sollte.

Schafwoll-Erosionsschutzmatten schmiegen sich dem Boden optimal an und verhindern selbst in Erosionsrinnen weiteren Abtrag. Bild: GEOTEX® GmbH

Baumstämme, Rundholzstangen und Pfähle für die Böschungssicherung und den Wasserbau

Rundhölzer und Baumstämme werden bei der Herstellung massiver Holzkonstruktionen zur Böschungssicherung verwendet, vornehmlich im stark erosionsbelasteten alpinen Bereich sowie im Wasserbau. Dickere Stämme und Stangen übernehmen dabei die Stützfunktion, während Rundholzpfähle als Befestigungselemente dienen (Krainerwand). Die Stützwirkung lässt sich durch die Kombination mit Gesteinsmaterial erhöhen. Holz steht vielfach vor Ort oder zumindest regional zur Verfügung und fügt sich als natürlicher Baustoff auch bei massiven Bauweisen gut in die Landschaft ein. Was für die allgemeine Holzverwendung im Landschaftsbau gilt, gilt in besonderem Maße für die Verwendung im Wasser- und Erdbau: Die Dauerhaftigkeit des Materials ist von besonderer Bedeutung. Daher kommen für ingenieurbiologische Zwecke bevorzugt dauerhafte bis mäßig dauerhafte Holzarten wie Eiche, Robinie, Edelkastanie, Lärche oder Rot- und Schwarzkiefer zum Einsatz. Auch Tannen- und Erlenhölzer weisen trotz der geringeren Dauerhaftigkeitsklassifizierung gemäß DIN EN 350-2 bei wasserbaulichen Anwendungen eine gute Dauerhaftigkeit auf, sofern das Holz meist oder ständig feucht oder überflossen ist.

Alpiner Stangenverbau, Bild: Klaus Diehl

Totes und lebendes Astmaterial für Ufer und Böschungen

Bei ingenieurbiologischen Maßnahmen wie dem Bau von Faschinen, Lahnungen, Spreitlagen, Busch-, Hecken- und Astlagen, Astpackungen, Sinkwalzen, Flechtzäunen, lebenden Buhnen, Bürsten, Kämmen usw. verwendet man zur Sicherung der Böschung oder der Gewässerufer vorzugsweise bauseits anstehendes oder aus der Nähe geliefertes Astmaterial.

Je nach Art und Schnittzeitpunkt ist dieses Astmaterial austriebsfähig oder gewährleistet als totes Baumaterial einen temporären Erosionsschutz für eine Dauer zwischen ein und fünf Jahren. Astmaterial bewirkt im Wasserbau eine erhöhte Rauigkeit sowie den Schutz des Ufers vor hydraulischer Belastung. Durch die Ansammlung von Geschiebematerial im oder hinter dem Astwerk wird Erosionserscheinungen entgegengewirkt bzw. Wasserströmungen werden beruhigt und Vorland gebildet. Eingebaut in Böschungen wirken Äste als Drainage und Bewehrung.

Für den Totverbau eignet sich jegliches Ast- und Reisigmaterial zur Herstellung von Totholz- oder Laubfaschinen, sofern es für die Bauweise ausreichend flexibel ist. Insbesondere im Bereich des Küstenschutzes werden Laubfaschinen auch als Zäune zum Sandfang errichtet. Für den Lebendverbau verwendet man Äste oder Astteile (Steckhölzer, Stangen) von autochthonen Pflanzenarten mit einem hohen Austriebsvermögen, z.B. von verschiedenen Weidenarten (Salix ssp.), Pappeln (Populus alba, P. nigra), Goldregen (Laburnum anagyroides) oder Liguster (Ligustrum vulgare). Vielfach erfolgt auch der kombinierte Einbau von austriebsfähigem und nicht austriebsfähigem Astmaterial. Die Sicherung von Dünen mit lebenden Pflanzen erfolgt in der Regel durch Strandhaferpflanzungen.

Insbesondere in aufgeräumten Kulturlandschaften stellen Totholz- oder Reisighecken (oft auch nach ihrem Erfinder als „Benjeshecke“ bezeichnet) einen anerkannten Beitrag zur Renaturierung dar. Das Geäst dieser Hecken bietet Vögeln und vielen Kleinlebewesen Schutz und Unterschlupf. Durch die in deren Kot enthaltenen Samen oder durch vergessene Nahrungsvorräte sowie durch aufkommende Gräser und Kräuter wird ein Sukzessionsprozess in Gang gesetzt, aus dem im günstigen Fall nach fünf bis sechs Jahren eine weitgehend einheimische Hecke herangewachsen ist.

Geotextilien für den Erosionsschutz zur Sicherung von Straßenböschungen, Gräben oder zum Schutz der Grasnarbe

Geotextilien in Form von Geweben oder kombinierten Matten werden eingesetzt, um Straßen-, Eisenbahn- oder Gewässerböschungen zu sichern, Gräben oder Gewässerbetten zu stabilisieren und Verletzungen der Grasnarbe auf Skipisten oder Golfplätzen zu heilen oder zu unterbinden. Je nach Erosionsart und -umfang stehen Materialien mit unterschiedlicher Stabilität und Lebensdauer zur Verfügung.

Meist handelt es sich um reine Naturfaserprodukte oder kombinierte Naturfaser-Kunststoff-Produkte. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Naturfaserprodukte die Bodenoberfläche am wirksamsten vor Regenaufprall (splash) und Sedimentabfluss (wash) schützen. Da sich Naturfasermatten mit der Zeit abbauen und ihre Funktion verlieren, sollte die Schutzfunktion bis dahin durch die aufgekommene Vegetation erfüllt werden. Nur für Böschungen mit einem geringen Vegetationsaufkommen, kontinuierlicher Belastung oder sporadisch hohen Belastungsereignissen sind Kunstfaserprodukte mit konstanter Schutzfunktion die bessere Wahl.

Am Merkt verfügbare Naturfasermatten:

  • Jutegewebe
  • Kokosgewebe
  • Strohmatten
  • Schafwollmatten
  • Seegrasmatten
  • Heide-, Schilfrohr- und Miscanthusmatten
  • Synthetische Matten mit zusätzlichen Mulchkomponenten
  • Befestigungselemente mit Holz

Flechtzaun aus lebenden Weidenruten, Bild: Klaus Diehl

Walzen und Faschinen für den Uferschutz

Bei den im Folgenden beschriebenen Faschinen handelt es sich um Systemprodukte. Dabei wird die wegen ihrer Langlebigkeit im ingenieurbiologischen Wasserbau bevorzugte Kokosfaser zur Herstellung sogenannter Kokoswalzen oder -faschinen verwendet. Diese werden miteinander verbunden und in der Regel an erosionsgefährdeten Gewässerufern verbaut. Alternativ sind am Markt auch Walzen erhältlich, in die Miscanthusstroh aus regionalem Anbau gepresst wurde. Aufgrund des hohen Silikatgehaltes weist Miscanthus ebenfalls eine gute Beständigkeit auf.

Um einen dauerhaften Uferschutz zu erreichen, wird der hinter den Kokoswalzen gelegene Uferbereich meist mit schnellwachsenden Gehölzen bepflanzt. Wo dies nicht erwünscht oder möglich ist, empfiehlt sich der Einsatz vorkultivierter und durchwurzelter Röhrichtwalzen. Hierbei dienen die oben beschriebenen Kokoswalzen als Vegetationsträger für die Anzucht speziell zusammengestellter Röhrichtgesellschaften. Faschinenstränge, die zur Drainage auf Böschungen zur Anwendung kommen, können ebenfalls aus Kokos, Miscanthus, aber auch aus Schafwolle, Stroh oder Heu bestehen. Dabei haben Kokos, Miscanthus und Schafwolle die höchste Lebensdauer und Drainagewirkung. Heu und Schafwolle verfügen über das beste Selbstbegrünungspotenzial.

Kleber, Mulchstoffe, Bodenhilfsstoffe für großflächige Böschungen

Bei der ingenieurbiologischen Begrünung großflächiger Böschungen erfolgt die Ansaat in der Regel maschinell, das Saatgut wird mithilfe eines Wasserstrahls auf die Fläche gebracht. Neben dem Saatgut können auf diese Weise bei der sogenannten Nassansaat oder Anspritzbegrünung zeitgleich oder in Folge noch weitere Zuschlagstoffe aufgebracht werden.

Zur Notwendigkeit der Zugabe von Düngemitteln, Klebern, Bodenverbesserungsstoffen oder Mulchstoffen abhängig von Standortfaktoren gibt die DIN 18918 unter Punkt 7 „Sicherung durch Ansaaten“ Hinweise. Weitere Informationen dazu gibt die Broschüre der FLL „Empfehlungen zur Begrünung von Problemflächen“ (1998). Dabei ist die Wahl der Stoffe in der Regel offen. Spezialunternehmen verfügen aufgrund eigener Erfahrungen allerdings über spezielle Rezepturen, oft mit austauschbaren Komponenten. Bei stärker geneigten oder windexponierten Flächen sollte zusammen mit dem Saatgut ein Haftmittel aufgebracht werden. Als Material auf Basis nachwachsender Rohstoffe eignen sich hierfür Alginate oder Zellulose. Bei der Begrünung von Flächen ohne Oberboden ist der Einsatz von Bodenaktivierungsmitteln notwendig. Hierzu eignen sich u.a. wiederum Alginate, Huminstoffe und Mikroorganismen wie Mykorrhizapilze und spezielle Bodenbakterien. Ebenso empfiehlt sich die Zugabe organischer Düngemittel. Als Schutz vor Niederschlag und Verdunstung dient bei geneigten oder oberbodenfreien Flächen die Zugabe von Mulchstoffen wie Stroh- oder Heuhäcksel.

Anspritzbegrünung mittels Hydroseeder, Bild: Klaus Diehl

Tipps für die Anwendung und Ausschreibung
  • Erosionsschutzmaßnahmen machen sich bezahlt: Bei Böschungsmaßnahmen eingesparte Kosten durch nicht durchgeführten Erosionsschutz sollten möglichen Folgekosten gegenübergestellt werden, die durch die notwendige Beseitigung von Erosionsschäden entstehen.

  • Statt Beton: Organische Materialien wie Baumstämme, Äste, lebende Pflanzenteile sowie einheimisches Pflanzgut als Baustoff oder industriell gefertigte Systemprodukte auf Basis nachwachsender Rohstoffe sind die nachhaltige Option.


  • Lange Lebensdauer: Je nach Durchmesser, Örtlichkeit und Exposition weisen Rundhölzer bestimmter Holzarten eine Haltbarkeit zwischen 10 und 25 Jahren auf.


  • Aussaat im Preis enthalten: Ungereinigte Rohwolle wirkt aufgrund des darin enthaltenen Kots sowie der im Keratin und Wollfett enthaltenen Stickstoffanteile selbstbegrünend, was bei der Preisabwägung einzukalkulieren ist.


  • Brandschutz an Böschungen: Seegras und Schafwolle verfügen über einen hohen natürlichen Brandschutz. Anwendung an brandgefährdeten Straßen-, Eisenbahn- und Tunnelböschungen und im Bereich von Parkplätzen und Haltebuchten.


  • Befestigung: Für Naturfasermatten eignen sich Holz- oder Biokunststoffnägel zur Befestigung.


  • Normen und Empfehlungen: Grundlage für ingenieurbiologische Bauweisen ist die DIN 18918 „Sicherungsbauweisen“. Weiterhin wird das Thema am Rande in diversen Regelwerken für den Straßenbau (z.B. RAS-Landschaftsgestaltung) und die Wasserwirtschaft berücksichtigt. Konkretere Informationen liefern die Veröffentlichungen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) „Empfehlungen zur Begrünung von Problemflächen“ (1998) und „Empfehlungen für Besondere Begrünungsverfahren“ (1999). Detailinformationen zu den verschiedenen ingenieurbiologischen Bauweisen sind der einschlägigen Fachliteratur zu entnehmen.


  • Konstruktiver Holzschutz: Beim Einbau dauerhafter Holzarten aus nachhaltiger Forstwirtschaft sollten unnötige Schäden am Material vermieden werden. Als aufschiebende Fäulnismaßnahme empfehlen sich das Vorbohren von Nagellöchern und die Verwendung rostfreier oder verzinkter Nägel mit Köpfen. Eine gleichmäßige Holzfeuchte und Beschattung erhöht die Lebensdauer.


  • Bauen oder kaufen? Faschinen aus Totholz oder lebenden Weidenruten können selbst gebaut werden, am Markt sind je nach Anwendungszweck vorgefertigte Systemprodukte aus Kokos, Miscanthus, Wolle, Stroh oder Heu erhältlich


  • Vorbepflanzte Systemprodukte: Zur schnelleren Begrünung sind bereits vorkultivierte Vegetationssystemprodukte wie Gras- und Röhrichtmatten sowie -walzen erhältlich. Inwieweit die Produzenten tatsächlich einheimisches Pflanzmaterial anbieten können, sollte kritisch hinterfragt werden, wenn regionale Außenbetriebe eher Umschlagplatzcharakter haben.

 


Weitere Informationen zum Thema Nachhaltiger kommunaler GalaBau:

Themenheft II: Grünflächen und Forst aus der Publikationsreihe Nachwachsende Rohstoffe im Einkauf

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